Ehrenamtliches Engagement in der Wohnungslosenhilfe - Interview mit Frank Dietrich

29.10.2018 | News


Frank Dietrich ist seit Frühjahr 2018 Jahr ehrenamtlicher Mitarbeiter bei den franzfreunden. Er arbeitet im Franz von Assisi-Haus der Wohnungslosenhilfe.

franzfreunde: Wer ist Frank Dietrich?

Frank Dietrich: „Ich komme aus Ratingen und bin 63 Jahre alt. Früher war ich Buchhändler. Und jetzt bin ich seit ungefähr einem halben Jahr Rentner. Ich bin auch Mitglied im Deutschen Alpenverein. Und da auch noch ehrenamtlich in einer Aufräumtruppe unterwegs. Ja, und hier habe ich halt eben meine „Tagesstruktur“ – um mal im Fachjargon zu bleiben.“

 

franzfreunde: Warum haben Sie sich für eine ehrenamtliche Tätigkeit entschieden? Sie könnten doch jetzt einfach mal den Tag genießen – ohne Verpflichtung.   

Frank Dietrich: „Ich war früher in der Außendienststeuerung für eine Fachbuchhandlung tätig und habe Fachbücher an Universitäten und Bibliotheken verkauft. Die Arbeit war sehr fokussiert auf IT- und Geschäftsprozesse, viel mit Tabellen und Statistiken. Das Ehrenamt hier ist jetzt für mich wie eine Shift-Taste. Der Schalter wird komplett umgelegt. Weg vom Prozess. Zum Umgang mit Menschen.“

 

franzfreunde: Wie sind Sie denn darauf gekommen, sich ehrenamtlich bei den franzfreunden zu engagieren?

Frank Dietrich: „Also die Einrichtung ist ja bekannt. Bisher war das aber eher vom Hörensagen und natürlich auch aus der Berichterstattung. Und daher weiß man ja, dass es nicht nur das reiche Düsseldorf gibt. Ich fand die ganze Sache richtig spannend, da habe ich mir gedacht, „Mensch, das  ist so eine interessante Organisation. Das Leben wird viel interessanter, wenn Menschen und Einrichtungen vor echten Aufgaben stehen. Da geh ich hin.“ Und dann gibt es am Eingang auch noch den Sinnspruch „So sehr hat Gott die Welt geliebt, was ist´s, dass nun die Welt ihm gibt.“ Ich bin ja nicht religiös. Aber hier kümmert man sich um Menschen, um die man sich in der Öffentlichkeit nicht gerne kümmert.“

 

Franzfreunde: Sie arbeiten im Franz von Assisi-Haus der Wohnungslosenhilfe. Wie ist es dort und was machen Sie alles?

Frank Dietrich: „Ich fühle mich hier super wohl und komme mit den Bewohnern auch gut zurecht. Die Mitarbeiter sind alle sehr engagiert. Es gehrt darum, dass die Bewohner mit zielgerichteter Tätigkeit, die regelmäßig stattfindet, ihren Alltag strukturieren. Angefangen habe ich mit Karten spielen. 3 Stunden. Immer freitags von  14 bis 17 Uhr spielen  wir Maumau. Als ich hier gestartet bin, hatte ich noch nicht soviel Zeit, denn ich habe ja auch noch gearbeitet. Jetzt habe ich mehr Zeit und jetzt geht es richtig los. Frau Rudat* meinte, dass ich auch gerne eigene Ideen einbringen könnte, was man vielleicht noch so alles mit den Bewohnern machen könnte. Das habe ich dann getan. Und dann haben wir darüber gesprochen und Frau Rudat hat das noch mit Herrn Plitt** geklärt und so haben wir die Hochbeet-Geschichte entwickelt. Das ist jetzt gerade vielleicht nicht die optimale Jahreszeit für ein Hochbeet, aber das ist auch nicht ganz so wichtig. Nächste Woche kommt da noch Erde dazu und schon einmal ein paar Winterpflanze rein, dann sieht das schon anders aus. Jetzt haben wir auch noch die Kochgruppe. Da kochen wir heute Quittenmarmelade. Im Sommer können wir dann vielmehr im Garten mit dem Hochbeet machen. Oder auch einmal eine Klettersession oder eine Fahrradgruppe gründen.“

 

franzfreunde: Hat sich für Sie persönlich etwas geändert durch Ihre ehrenamtliche Arbeit in der Wohnungslosenhilfe? Können Sie einen persönlichen Gewinn aus Ihrem Engagement ziehen?

Frank Dietrich: „Die Obdachlosigkeit von Menschen kommt jetzt viel näher an einen heran. Das ist jetzt viel konkreter, nicht mehr nur eine Vorstellung. Auch wenn man sagt, man soll Menschen nicht beurteilen und nicht verurteilen, macht man das doch ganz automatisch. Und genau das wird einem hier ganz schnell abgewöhnt. Die Bewohner hier sind in ihrer Persönlichkeit so vielfältig, so unterschiedlich. Der Sinn ist doch, den Anderen in seiner Individualität zu erkennen und zu unterstützen. Wenn es da zu einem Miteinander kommt – das macht mir sehr viel Freude..    

 

franzfreunde: Gibt es ein Vorurteil, dass Sie nervt?

Frank Dietrich: „Man darf den Menschen nicht in Kategorien einteilen oder Gruppen zuordnen, in der er sich vielleicht gerade aufhält. Man muss den Menschen einzeln betrachten, sein persönliches Schicksal sehen, seinen Hintergrund beachten und gucken, wo seine Stärken sind. Das ist schon unheimlich schwer, da muss man sich immer wieder zusammenreißen.“

 

franzfreunde: Was sollte man für ein Ehrenamt in der Wohnungslosenhilfe mitbringen? Was erwartet einen Ehrenamtler hier?

Frank Dietrich: „Man muss willens sein und danach handeln, den Menschen als Einzelnen zu erkennen und ihm gerecht zu werden. Man muss eine Balance finden zwischen Führen und Lassen, zwischen Nähe und Distanz. Mit Worten angemessen umgehen, Respekt leben, denn jeder hat seine eigenen Regeln, auch wenn der Grund sich einem nicht immer gleich erschließt. Und: selber zuverlässig machen, was man selber gesagt hat. Und was auch den Ehrenamtler bei den franzfreunden erwartet? Ein ehemaliger Bewohner sagte mir gestern bei Kaffee und Kuchen: „…mal offen gesagt, die Einrichtung ist eine 5-Sterne-Lösung für uns Obdachlose…“.“

Ein ganz herzliches Dankeschön an Frank Dietrich für das Interview.

 

*Bettina Rudat ist Sachgebietsleiterin der stationären Hilfen mit Vollversorgung im Franz von Assisi-Haus der franzfreunde.

**Jürgen Plitt ist Geschäftsbereichsleiter der Wohnungslosenhilfe bei den franzfreunden.